Donnerstag, 14. November 2013

The Illusion of Choice

Der folgende Chart wurde von policymic kommentiert. Ursprünglich auf reddit veröffentlicht, ergänzt policymic die Übersicht der 10 Mega-Firmen, die unseren Konsum kontrollieren, um weitere Entwicklungen in den Bereichen Media und Banken.

Du hast die Qual der Wahl? Mitnichten.

(c) reddit

Buddha: In the end...

Beautiful Minds

Charles Dickens: It's not a slight thing...

"It's not a slight thing
when they who are so fresh from God
love us."

(c) Niecey


Charles Dickens

So, you think you can ride

Eine Aufzeichnung aus Rom aus dem Jahr 1935.

Montag, 4. November 2013

Achim Reichel: John Maynard

6. Klasse, Gymnasium, Deutschunterricht.

Wir lernen John Maynard von Theodor Fontane. Wir lesen, lernen auswendig, machen ein kleines Theaterstück daraus, das auch an den Projekttagen der Schule aufgeführt wird. Und unser Deutschlehrer präsentiert uns die Interpretation Fontanes Ballade von Achim Reichel. Den Namen des Interpreten kenne ich allerdings erst seit heute. Oder vielleicht kannte ich ihn damals durch meinen Deutschlehrer, er hat uns sicherlich gesagt, wer da singt, aber ich habe den Namen nicht in Erinnerung behalten.

Aber das, wie soll ich sagen, Lied? habe ich noch immer in Erinnerung, ich kann es noch immer singen, nicht mehr bis zum Schluss, wie ich heute beim Wiederhören der Ballade festgestellt habe, aber ich weiss nicht, ob ich noch in der Lage wäre John Maynard ohne diese Interpretation zu zitieren.

Ich erinnere mich, wie sehr ich das Lied als 11- oder 12-jährige mochte, und dass ich meinem Deutschlehrer eine Leerkassette überreichte, mit der Bitte, mir das Lied zu überspielen. Was er netterweise auch machte. Und ich habe es oft zu Hause wiedergehört. Wo die Kassette geblieben ist, weiss ich nicht. Ob sie irgendwann den Aufzeichnungen der sonntagnachmittäglichen Radiohitparade zum Opfer fiel?

Ich kann mich ganz genau an unseren Klassenraum erinnern, meinen Sitzplatz, und seltsamerweise an sehr heisse, stille, arbeitsintensive Stunden in diesem Raum. Manche Gesichter meiner damaligen Klassenkameraden, und wo diese sassen. Ich war noch sehr gut in der Schule, in der 6. Klasse, danach begann ich den Spass an der Schule und am Lernen zu verlieren, in der 7. Klasse noch ein Echo von der Freude des Mädchens und der Lehrergläubigkeit, alles sollte sich danach immer mehr verlieren.

Mein Deutschlehrer mochte mich, ich weiss bis heute nicht, ob es einfach nur daran lag, dass ich immer sehr gute Noten in den Klassenarbeiten hatte. Ich mochte Deutsch, ich mochte Lesen, Grammatik war eine meiner Stärken. Der Lehrer hatte die etwas unangenehme Angewohnheit, die Klassenarbeiten sortiert zurückzugeben, angefangen mit der schlechtesten Note, das letzte Heft, das er ausgab war die beste Note. Peinlich, dass die Klassenkameraden so jeweils die Leistungen der anderen einordnen konnten. Schrecklich für den, der als erster angesteuert wurde, und irgendwie auch für den, der das Heft als letzter mit einer lobenden Erwähnung erhielt.


Dienstag, 17. September 2013

Tolstoi: Kinderhändchen

"Ja, ja, sch-sch-sch..." antwortete Kitty nur; sie wiegte sich leicht und drückte zärtlich das am Handgelenk wie mit einem Fädchen umschnürte pummelige Händchen, das Mitja bald schloss, bald öffnete.

aus: Leo Tolstoi Anna Karenina

Montag, 2. September 2013

The Simple Woman's Daybook

Would you like to linger on the simple things...then join me and many others in taking a little look into the day plans and thoughts of those who are focusing on simplicity...beauty of the everyday moments.
http://thesimplewomansdaybook.blogspot.com/


FOR TODAY

Outside my window... Es ist Nacht. Seit Anfang der Woche werden die Nächte wieder kühler und lassen den Herbst erahnen. Unsere Bettdecke für die kühlere Jahreszeit ist in der Reinigung und ich musste eine zusätzliche Decke auf die Sommerdecke auflegen.

I am thinking...
Ab dieser Woche werde ich wieder mehr Zeit für mich haben. Und es gibt so viele Dinge, die ich gerne tun würde, so viele Gedanken, die ich gerne ausführen würde. Und ich muss befürchten, dass ich auch in dieser neuen Phase zu wenigen mich wirklich befriedigenden Ergebnissen kommen werde. Warum ist das so?

I am thankful... für meinen Mann und Freund. Und unsere Kommunikation. Es kommt mir dieser Tage so vor, als ob sich unsere Beziehung verändert. Vielleicht reift? Mein Körper fühlt sich immer noch nicht zur Liebe fähig, und er ist so geduldig. Ich hoffe, er ist aufrichtig.

In the kitchen... Hm. War schon schlimmer. Eigentlich sauberer als sonst, aber nicht aufgeräumt, wie ich es gerne hätte.

I am wearing... Bin schon fertig fürs Bett.

I am creating... mein selbstverantwortetes Leben?

I am going... 
wieder mehr Lesen. Mehr Schreiben.

I am wondering... wie lange meinen Kinder noch diese ungetrübte Freude in ihren Augen leuchten wird.

I am reading... Anna Karenina ist beendet. Ich habe ein Jahr daran gelesen. Nun sollte Thomas Bernard folgen, ausserdem Arno Gruen und Harald Welzer.

I am hoping... dass ich meine Kraft zielgerichtet einsetzen kann. Bewusster bin. Meinen Kindern, meinem Mann und Freund, und mir gegenüber. Meinem Leben und den unklaren Zielen, die ich immer noch habe, in der Mitte meines Lebens.

I am looking forward to...
Kindergartenstart vom Grossen. So ein Abenteuer.

I am learning... selbstverantwortlich zu sein.

Around the house... sonntagnächtliche Ruhe.

I am pondering... wie konnte ich jahrelang so unnötig leiden. Wieso habe ich die Jahre meiner frühen und späten Jugend nicht genutzt, um heute einen sinnvollen Beitrag in der Gesellschaft leisten zu können. Und die gute Mutter, die ich gerne wäre?

A favorite quote for today...


Your still so young to travel so far
Old enough to know who you are
Wise enough to carry the scars
Without any blame, there's no one to blame
It's easy to forget what you learned
Waiting for the thrill to return
Feelin' your desire burn
And drawn to the flame

(Crowded House Distant Sun)

One of my favorite things... Das Lachenjauchzen meines Babys.

A few plans for the rest of the week: zu viele.

Samstag, 31. August 2013

Wolfgang Herrndorf: Dämmerung

Dämmerung

Ich bin vielleicht zwei Jahre alt und gerade wach geworden. Die grüne Jalousie ist heruntergelassen, und zwischen den Gitterstäben meines Bettes hindurch sehe ich in die Dämmerung in meinem Zimmer, die aus lauter kleinen roten, grünen und blauen Teilchen besteht, wie bei einem Fernseher, wenn man zu nah rangeht, ein stiller Nebel, in den durch ein pfenniggroßes Loch in der Jalousie hindurch bereits der frühe Morgen hineinflutet. Mein Körper hat genau die gleiche Temperatur und Konsistenz wie seine Umgebung, wie die Bettwäsche, ich bin ein Stück Bettwäsche zwischen anderen Stücken Bettwäsche, durch einen sonderbaren Zufall zu Bewußtsein gekommen, und ich wünsche mir, daß es immer so bleibt. Das ist meine erste Erinnerung an diese Welt.
Angeblich wächst die Sentimentalität mit dem Alter, aber das ist Unsinn. Mein Blick war von Anfang an auf die Vergangenheit gerichtet. Als in Garstedt das Strohdachhaus abbrannte, als meine Mutter mir die Buchstaben erklärte, als ich Wachsmalstifte zur Einschulung bekam und als ich in der Voliere die Fasanenfedern fand, immer dachte ich zurück, und immer wollte ich Stillstand, und fast jeden Morgen hoffte ich, die schöne Dämmerung würde sich noch einmal wiederholen.

Nobutaka Aozaki: From Here to There

Der Künstler Nobutaka Aozaki, augenscheinlich Tourist in Manhattan, befragte Passanten nach dem Weg.

Indem er jeweils verschiedene Ziele zu suchen vorgab und sich Wege von hier nach da aufzeichnen liess, konnte er einen Stadtplan von Manhattan nachbilden, bestehend aus vielen einzelnen mit der Hand beschriebenen Blättern.

(c) Nobutaka Aozaki

(c) Nobutaka Aozaki

Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen.

Donnerstag, 29. August 2013

Wolfgang Herrndorf

Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf hat sich im Alter von 48 Jahren selbst getötet.

Wolfgang Herrndorf (c) Zeit.de

Sein Blog Arbeit und Struktur beeindruckt mich zutiefst.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Manuel Cosentino - Hinter dem Häuschen

Der italienische Künstler und Fotograf Manuel Cosentino fotografierte während zwei Jahren immer dasselbe Motiv: ein Häuschen auf einem Hügel. Der tatsächliche Hauptdarsteller aber ist der Horizont dahinter, der Himmel, die Sterne, die Wolken, die Nacht, der Nebel.

Eine wunderbare Folge über die Veränderungen in der Natur, über die Zeit.

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

(c) Manuel Cosentino

Donnerstag, 25. Juli 2013

Look at me - A collection of found photos

Look at me:









Diese Photos gehören niemandem mehr. Sie waren einst Erinnerung, Freude, Sehnsucht eines Menschen. Nun sehe ich nur noch die Gesichter auf Papier und sehe einen Ausschnitt aus dem Leben eines anderen Menschen. Ich weiss nicht, wann oder wo das Bild entstanden ist, ich weiss nicht, welche Sprache gesprochen wurde, als die Menschen sich aus der Bewegungslosigkeit der Aufnahme lösten. Ich ahne, wie oft es in die Hand genommen und angesehen wurde. Wieviel damit verbunden wurde.

Es ist eine Art Hochachtung oder Verbeugung vor dem Leben anderer uns unbekannter Menschen, diese Photos aufzubewahren, den Moment zu bewahren, an den sich andere ein Leben lang erinnern wollten.

Mittwoch, 24. Juli 2013

The day the Earth smiled

(c) NASA

"Consider again that dot. That's here. That's home. That's us. On it everyone you love, everyone you know, everyone you ever heard of, every human being who ever was, lived out their lives. The aggregate of our joy and suffering, thousands of confident religions, ideologies, and economic doctrines, every hunter and forager, every hero and coward, every creator and destroyer of civilization, every king and peasant, every young couple in love, every mother and father, hopeful child, inventor and explorer, every teacher of morals, every corrupt politician, every "superstar," every "supreme leader," every saint and sinner in the history of our species lived there – on a mote of dust suspended in a sunbeam.

The Earth is a very small stage in a vast cosmic arena. Think of the rivers of blood spilled by all those generals and emperors so that in glory and triumph they could become the momentary masters of a fraction of a dot. Think of the endless cruelties visited by the inhabitants of one corner of this pixel on the scarcely distinguishable inhabitants of some other corner. How frequent their misunderstandings, how eager they are to kill one another, how fervent their hatreds. Our posturings, our imagined self-importance, the delusion that we have some privileged position in the universe, are challenged by this point of pale light. Our planet is a lonely speck in the great enveloping cosmic dark. In our obscurity – in all this vastness – there is no hint that help will come from elsewhere to save us from ourselves.


 The Earth is the only world known, so far, to harbor life. There is nowhere else, at least in the near future, to which our species could migrate. Visit, yes. Settle, not yet. Like it or not, for the moment, the Earth is where we make our stand. It has been said that astronomy is a humbling and character-building experience. There is perhaps no better demonstration of the folly of human conceits than this distant image of our tiny world. To me, it underscores our responsibility to deal more kindly with one another and to preserve and cherish the pale blue dot, the only home we've ever known."

Carl Sagan (1943-1996)


from I fucking love Science

The simple woman's daybook

Would you like to linger on the simple things...then join me and many others in taking a little look into the day plans and thoughts of those who are focusing on simplicity...beauty of the everyday moments.
http://thesimplewomansdaybook.blogspot.com/


FOR TODAY

Outside my window... grauer Himmel, zum ersten Mal seit vielleicht drei Wochen. Es hat gerade ein wenig geregnet und die Luft ist seit gestern abend deutlich kühler. Und ich muss zugeben, dass ich es gerade geniesse, nicht die Sommerhitze von 30 Grand zu spüren. Aber ich muss auch sagen, dass ich mich freue, dass die Erfrischung nur einen Tag anhalten wird, bevor der Sommer morgen wieder volle Fahrt aufnimmt.

I am thinking...
mein Leben ist wunderbar. Wir sind gesund und so glücklich und wir wissen, dass wir glücklich sind.

I am thankful... für meine Familie (schon zu oft gesagt?), dass wir gesund sind und dass wir einander haben und uns dessen so gewiss sein dürfen. Und ich bin noch für etwas anderes dankbar: dass ich es langsam schaffe, mich von den Schatten zu befreien, die die letzten 20 Jahre unerkannt auf mir lasteten. Ich erkenne sie und kann sie nun verjagen. Die Jagd beginnt.

In the kitchen... ein wenig unaufgeräumt, aber nicht schockierend. Heute mittag gibt es kalte Küche, Tomatensalat oder Melone mit Schafskäse (so grossartig), denn der Grosse ist in der Krippe.

I am wearing... lange schwarze Leinenhose, langes beiges Top mit weissen Punkten, und darüber die Kleine im Wickeltuch. 

I am creating... ich will mich an ein Babymobile wagen, so was in dieser Art:



I am going... ein wenig aufräumen, mir etwas frisches zu essen machen, meinen Schreibtisch ein wenig sortieren, eine Mail schreiben, Windeln kaufen, ähm, schon zuviel...

I am wondering... ob wir die beiden Kurzurlaube, die vor uns liegen, so hinbekommen, dass wir alle vier die Tage geniessen können.

I am reading... "Populärmusik aus Vittula" von Mikael Niemi

I am hoping... dass wir in Berlin mit unseren Freunden viel Spass haben werden, und dass sich die Energie, die wir vier dafür aufwenden, sich in eine positive verwandelt.

I am looking forward to...
den heutigen Tag, den ich gemeinsam mit meinem Baby verbringen darf, dieses wunderschöne, fröhliche Menschlein.

I am learning... Einfachheit.

Around the house... Sommer. Und auf der Terrasse: mein Spindelstrauch hat Schildläuse, pfuiteufel.

I am pondering... über das Leben. Immer. Und immer öfter: diese Welt ist nicht für mich gemacht.

A favorite quote for today...
"Uns gehört nur die Stunde. Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel" Theodor Fontane

One of my favorite things... mich treiben lassen, weil eine freie Stunde vor mir liegt, die alleine mir gehört.

A few plans for the rest of the week: Krippenübernachtung für den Grossen vorbereiten, den Wochenend-Kurzurlaub vorbereiten, eine Freundin sehen.

Die Stunde

"Uns gehört nur die Stunde.
Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel."

(c) Witold Cizmowski
Theodor Fontane (1819-1898)

You are beautiful

(c) Citizen Scholar Inc.

Samstag, 1. Juni 2013

Julian Wolkenstein - Kampagne für Radio Nova, Australien

(c) Julian Wolkenstein

(c) Julian Wolkenstein

Image Gallery von Julian Wolkenstein

Mittwoch, 29. Mai 2013

Thierry Cohen - Villes éteintes

Vertraute Skylines, Städte in der Nacht, aber kein menschengemachtes Licht erhellt die Dunkelheit. Befremdlich, beängstigend, und gleichzeitig traumgleich.


(c) Thierry Cohen

(c) Thierry Cohen

Sternenlichter, das Licht von Galaxien, das Universum - so also haben die Menschen unseren Himmel bis vor hundert Jahren noch gesehen, demütig gegenüber der Schöpfung, unterworfen den Mächten der Erde, den Gewalten der Natur. Unter solch einem Eindruck kann ich wieder verstehen,  dass es den Glauben an Gott oder Götter brauchte, um mit einer solchen Macht umzugehen, um nicht unterzugehen, standzuhalten.

Thierry Cohen fotografiert Städte und bearbeitet die Bilder so, dass keine künstliche Lichtquelle zu sehen bleibt. Aufgrund der Lichtverschmutzung ist der Himmel auf den Aufnahmen sternenlos. Er nimmt dann auf demselben Breitengrat, auf dem das Stadtfoto entstand, den unverschmutzten Nachthimmel auf und montiert die beiden Fotografien - das Ergebnis:

unsere Städte, wie wir sie sehen würden, wenn keine Lichtquelle die Sicht auf den Nachthimmel stört.

Mehr Bilder auf http://thierrycohen.com.

Ana Carolina Seu Jorge - É Isso Aí

Ein wunderbarer Coversong von Damien Rice's Song "The Blower's Daughter"


Damien Rice - The Blower's Daughter

In die Vergangenheit ausgebreitet

"Wir sind nicht auf unsere Gegenwart beschränkt, sondern weit in die Vergangenheit ausgebreitet. Das kommt durch unsere Gefühle, namentlich die tiefen, also diejenigen, die darüber bestimmen, wer wir sind und wie es ist, wir zu sein. Denn diese Gefühle kennen keine Zeit, sie kennen sie nicht und sie anerkennen sie nicht. [...]

Ich bin immer noch dort, an jenem entfernten Ort in der Zeit, ich bin dort nie weggegangen, sondern lebe ausgebreitet in die Vergangenheit hinein, oder aus ihr heraus. Sie ist Gegenwart, diese Vergangenheit. Die tausend Veränderungen, welche die Zeit vorangetrieben haben - sie sind, gemessen an dieser zeitlosen Gegenwart des Fühlens, flüchtig und unwirklich wie ein Traum, und auch trügerisch wie Traumbilder.

Und nicht nur in der Zeit sind wir ausgebreitet. Auch im Raum erstrecken wir uns weit über das hinaus, was sichtbar ist. Wir lassen etwas von uns zurück, wenn wir einen Ort verlassen, wir bleiben dort, obgleich wir wegfahren. Und es gibt Dinge an uns, die wir nur dadurch wiederfinden können, dass wir dorthin zurückkehren. Wir fahren an uns heran, reisen zu uns selbst [...]. Was könnte aufregender sein, als ein unterbrochenes Leben mit all seinen Versprechungen wiederaufzunehmen?

Es ist ein Fehler, ein unsinniger Gewaltakt, wenn wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren in der Überzeugung, damit das Wesentliche zu erfassen.

Worauf es ankäme, wäre, sich sicher und gelassen, mit dem angemessenen Humor und der angemessenen Melancholie, in der zeitlich und räumlich ausgebreiteten inneren Landschaft zu bewegen, die wir sind."

Pascal Mercier, "Nachtzug nach Lissabon"

Die Anerkennung der Verwirrung

"Am Ende stehen lauter Widersprüche auf dem Papier. Lange Zeit habe ich geglaubt, das sei ein Mangel, etwas, das es zu überwinden gelte.

Heute denke ich, dass es sich anders verhält: dass die Anerkennung der Verwirrung der Königsweg zum Verständnis dieser vertrauten und doch rätselhaften Erfahrungen ist."

Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon

Spuren des Vergangenen

"Warum machen mich Spuren des Vergangenen traurig, auch wenn es Spuren von etwas Heiterem sind?"

Pascal Mercier, "Nachtzug nach Lissabon"

Der Brief

Versöhnung - das ist das Wort, das mir endlich ein Stück weiterhilft. Es geht nicht darum, meine Geschichte, meine Geschichten zu überwinden. Es geht darum, mich mit ihnen zu versöhnen.

Seine Reaktionen auf meine letzten Mails waren kurz, zu kurz als dass ich mir noch vormachen könnte, er wolle eine Verbindung aufrecht erhalten. Ich weiss nicht, was ich mir erwartet habe - dass auch er über die Jahre nicht von mir lassen kann, dass ich weiterhin eine Rolle in seinem Leben einnehme, eventuell sogar einen Teil seines Lebens besetze, dem er hinterhertrauert (so wie ich es tue). Wie hätte ich das wirklich glauben können, sein Leben, das ein beruflich erfolgreiches ist, er, der seit Jahren eine feste glückliche Beziehung mit einer klugen schönen Frau führt. Und wieso passiert es mir, die ich seit Jahren eine feste glückliche Beziehung führe und mit zwei wunderbaren Kindern beschenkt wurde. Versöhnung.


Und dann der Brief. Vor zwei Tagen überreichte ihn mir der Postbote und ich erkannte die Handschrift sofort. Seither liegt er ungeöffnet -

Das Gefühl der Freude verlängern. Den Inhalt erspüren, alle Möglichkeiten des Inhalts ausloten. Der Brief bekommt unnötig viel Raum und Bedeutung. Wieder werde ich mich selbst enttäuschen, weil ich eben doch wieder überhöhte und unnötige Erwartungen habe. Was ich erwarte? Ein Zeichen, das er ehrlich an mich denkt, an mir interessiert ist, weil wir uns einmal alles bedeutet haben, weil mein Menschsein ihn angeht, meine Gedanken, mein Leben. Eine gute Portion verletzter Stolz ist mit dabei, das muss ich leider vor mir selbst zugeben, verletzter Stolz, dass er mich nicht mehr wollte, auch ein Minderwertigkeitsgefühl, dass ich nicht gut genug für ihn war, Unsicherheit, ob seine Liebe für mich wirklich Liebe war, oder nur seine überraschte Reaktion, dass er eine solche Liebe in einem anderen Menschen auslösen kann. Ich würde ihn gerne einmal fragen, ob er mich wirklich geliebt hat, er, meine Liebe.

Diese Antwort wird nicht in dem Brief stehen. Das, was ich gerne von ihm hören würde, werde ich nicht in dem Brief lesen.

Ich kann meine Versöhnung also fortsetzen, trotz Brief. Der Brief ändert nichts an dem notwendigen Prozess.  Meine Versöhnung soll sein: diese Jahre mit ihm waren gut, haben mich nachhaltig geprägt, meine Bedürfnisse und Interessen geformt. Dass er nicht mehr für mich da ist, sollte für mich Herausforderung sein, nicht Niederlage. Die Erinnerung an meine erste grosse Liebe soll mich glücklich machen, nicht trauernd. Sie darf mir nicht mein Jetzt vergiften, sie soll es bereichern und beruhigen. Diese Liebe und dieser Mann sind Teil meines Lebens, ich sollte davon reden können, und es nicht begraben wie einen dunklen schmerzenden Schatz.

Donnerstag, 23. Mai 2013

Roxy Music - If there is something

Vor wenigen Tagen sah ich im Fernsehen den Film Flashbacks of a Fool aus dem Jahr 2008. Der Film erzählt die Kindheits- und Jugenderinnerungen eines Filmstars, der nicht nur mit seiner Karriere, sondern auch seinem Lebensentwurf scheitert, und führt den Zuschauer bis zu dem entscheidenden Moment seiner Jugend, der sein Leben auf tragische Weise verändern sollte.

Eindrückliche Bilder, eine langsame Erzählweise und wunderbarer Soundtrack.

Eine Perle daraus: Roxy Music - If there is something



Im Soundtrack ist die Studioaufnahme zu hören, ich aber kenne diese Liveaufnahme besser, die grossartig ist.

Welche Erinnerungen - 1991, Autofahrten nach Heidelberg im Opel, durch die Nacht, die Erwartungen und Sehnsüchte für SM, die Kassette von SP aufgenommen. If there is something fast wie in Trance gehört, um mich Dunkelheit, nur die Lichter der Autos, hinter mir liegt eine Arbeitswoche, manchmal sogar zwei, und vor mir liegen kostbare Stunden mit ihm, Vita Nova.

Hugo Ball - Karawane


Hugo Ball (1886-1927)

...die bewohnte Menschenwelt als das, was sie ursprünglich war...

Seit 1991 auf einem Zettel notiert, haben diese Zeilen über all die Jahre nicht an Eindrücklichkeit für mich verloren:

"Ich mag die kürzer werdenden Tage mit der früh einbrechenden Dunkelheit und das künstliche Licht in den Häusern, das einen langen Abend verspricht. Drinnen und draußen, Geborgenheit und die offene Weite des Nachttraums sind nun schärfer getrennt. Und tief in der Nacht, wenn nur hier und da ein Fenster erleuchtet ist, erscheint einem die bewohnte Menschenwelt als das, was sie ursprünglich war: eine umhegte Insel, umgeben von Dunkelheit und einer unheimlichen kosmischen Stille."

(c) tes

Dieter WellershoffBlick auf einen fernen Berg (1991)

Konstantinos Kavafis - Kerzen

Kerzen

Die Tage der Zukunft stehen vor uns
Wie eine Reihe angezündeter Kerzen -
Goldene, warme, lebendige Kerzen.

Die Tage der Vergangenheit bleiben hinter uns,
Eine traurige Reihe abgebrannter Kerzen,
Die letzten rauchen noch,
Kalte Kerzen, geschmolzen und krumm.

Ich will sie nicht sehen; ihr Anblick grämt mich,
Es schmerzt mich, an ihr erstes Licht zu denken.
Ich schaue nach vorn auf meine brennenden Kerzen.

Ich will mich nicht umwenden, um mit Entsetzen zu sehen,
Wie rasch die dunkle Reihe sich verlängert,
Wie rasch die erloschenen Kerzen sich mehren.


Konstantinos Kavafis
Konstantinos Kavafis (1863-1933)

Mittwoch, 22. Mai 2013

Vier

Nur Stunden nach meinem letzten daybook-Eintrag vergingen, dann waren wir vier. Dieser letzte Tag, der allein mir gehörte. Und nun sind wir vier. Wir finden uns neu und lernen uns neu kennen und sind uns vertrauter wie nie vorher. Wir können uns auf uns verlassen und stärken uns und finden die Wunder des neuen Lebens ein zweites Mal, diesmal in Begleitung unseres Grossen. Wir sind glücklich.

Freitag, 26. April 2013

The simple woman's daybook

Would you like to linger on the simple things...then join me and many others in taking a little look into the day plans and thoughts of those who are focusing on simplicity...beauty of the everyday moments.
http://thesimplewomansdaybook.blogspot.com/


FOR TODAY

Outside my window... ein Sommertag!

I am thinking...
wie herrlich es ist, wieder Sonne auf der Haut zu spüren. Wie gerne ich diesen Tag noch verlängern würde. Wie sehr ich mich darauf freue, gleich meinen Sohn abzuholen.

I am thankful... für diese Stunden, die ich unbeschwert und sorglos für mich alleine verbringen durfte.

In the kitchen... muss dringend aufgeräumt werden.

I am wearing... Jeans und ein weisses Top. Nichts an den Füssen, herrlich...

I am creating... unsere Wohnung für unser Leben zu viert.

I am going... gleich nach draussen, um unseren Grossen von seinem langen Tag abzuholen.

I am wondering... wie lange ich wohl noch schwanger bin. Ein paar Tage noch, dann werden wir unser Kleinchen im Arm halten.

I am reading... ich habe heute Nachmittag "The Great Gatsby" zu Ende gelesen.

I am hoping... dass diese Stunden der Entbindung, die vor mir liegen, und mich so sehr beschäftigen, nicht über meine Kräfte hinausgehen. Dass es dem Kind gut geht. Dass die Geburt für uns beide selbstbestimmter sein darf. Dass ich die Schmerzen ertrage.

I am looking forward to...
meine Familie heute abend wieder beisammen ist.

I am learning... Alles hat seine Zeit.

Around the house... Frühling - die Bäume werden endlich grün.

I am pondering... ob wir als Eltern alles gut machen. So oft denke ich, unser Grosser ist so toll. So oft denke ich, ich mache alles falsch. Es ist eine ewige Reise.

A favorite quote for today...
"Es ist Liebe, die Gestalt angenommen hat. Glück, das den Atem nimmt. Zärtlichkeit, für die es keine Worte gibt. Eine kleine Hand, die zurückführt in eine Welt, die man vergessen hat."

One of my favorite things... ruhen... achja.

A few plans for the rest of the week: Es gibt noch so viele dringende Sachen zu erledigen. Eine Liste ist gemacht, nur nicht zu ehrgeizig sein...

A peek into my day... Aufräumen, dieser Schal wird zwar nicht weggegeben, wie zuerst gedacht, aber für jemand anderen aufgehoben... aus Australien ist er noch...

Mittwoch, 17. April 2013

Neon Luminance

From The Lenz (Sean Lenz und Kristoffer Abildgaard) haben in ihrer Serie Neon Luminance Wasserfälle fotografiert, nachdem sie Leuchtstäbe verschiedener Farben in die Strömung geworfen haben.

Belichtet wurde zwischen 30 Sekunden und 7 Minuten lang.

(c) From The Lenz

Augen

Der Photograph Suren Manvelyan ist seit 2006 als professioneller Photograph tätig.

Ich bin durch seine Serien "Your beautiful Eyes" und "Animal Eyes" auf ihn aufmerksam geworden. Was für eine bizarre Schönheit.

(c) Suren Manvelyan: Human Eye

(c) Suren Manvelyan: Human Eye