"Warum machen mich Spuren des Vergangenen traurig, auch wenn es Spuren von etwas Heiterem sind?"
Pascal Mercier, "Nachtzug nach Lissabon"
Mittwoch, 29. Mai 2013
Der Brief
Versöhnung - das ist das Wort, das mir endlich ein Stück weiterhilft. Es geht nicht darum, meine Geschichte, meine Geschichten zu überwinden. Es geht darum, mich mit ihnen zu versöhnen.
Seine Reaktionen auf meine letzten Mails waren kurz, zu kurz als dass ich mir noch vormachen könnte, er wolle eine Verbindung aufrecht erhalten. Ich weiss nicht, was ich mir erwartet habe - dass auch er über die Jahre nicht von mir lassen kann, dass ich weiterhin eine Rolle in seinem Leben einnehme, eventuell sogar einen Teil seines Lebens besetze, dem er hinterhertrauert (so wie ich es tue). Wie hätte ich das wirklich glauben können, sein Leben, das ein beruflich erfolgreiches ist, er, der seit Jahren eine feste glückliche Beziehung mit einer klugen schönen Frau führt. Und wieso passiert es mir, die ich seit Jahren eine feste glückliche Beziehung führe und mit zwei wunderbaren Kindern beschenkt wurde. Versöhnung.
Und dann der Brief. Vor zwei Tagen überreichte ihn mir der Postbote und ich erkannte die Handschrift sofort. Seither liegt er ungeöffnet -
Das Gefühl der Freude verlängern. Den Inhalt erspüren, alle Möglichkeiten des Inhalts ausloten. Der Brief bekommt unnötig viel Raum und Bedeutung. Wieder werde ich mich selbst enttäuschen, weil ich eben doch wieder überhöhte und unnötige Erwartungen habe. Was ich erwarte? Ein Zeichen, das er ehrlich an mich denkt, an mir interessiert ist, weil wir uns einmal alles bedeutet haben, weil mein Menschsein ihn angeht, meine Gedanken, mein Leben. Eine gute Portion verletzter Stolz ist mit dabei, das muss ich leider vor mir selbst zugeben, verletzter Stolz, dass er mich nicht mehr wollte, auch ein Minderwertigkeitsgefühl, dass ich nicht gut genug für ihn war, Unsicherheit, ob seine Liebe für mich wirklich Liebe war, oder nur seine überraschte Reaktion, dass er eine solche Liebe in einem anderen Menschen auslösen kann. Ich würde ihn gerne einmal fragen, ob er mich wirklich geliebt hat, er, meine Liebe.
Diese Antwort wird nicht in dem Brief stehen. Das, was ich gerne von ihm hören würde, werde ich nicht in dem Brief lesen.
Ich kann meine Versöhnung also fortsetzen, trotz Brief. Der Brief ändert nichts an dem notwendigen Prozess. Meine Versöhnung soll sein: diese Jahre mit ihm waren gut, haben mich nachhaltig geprägt, meine Bedürfnisse und Interessen geformt. Dass er nicht mehr für mich da ist, sollte für mich Herausforderung sein, nicht Niederlage. Die Erinnerung an meine erste grosse Liebe soll mich glücklich machen, nicht trauernd. Sie darf mir nicht mein Jetzt vergiften, sie soll es bereichern und beruhigen. Diese Liebe und dieser Mann sind Teil meines Lebens, ich sollte davon reden können, und es nicht begraben wie einen dunklen schmerzenden Schatz.
Seine Reaktionen auf meine letzten Mails waren kurz, zu kurz als dass ich mir noch vormachen könnte, er wolle eine Verbindung aufrecht erhalten. Ich weiss nicht, was ich mir erwartet habe - dass auch er über die Jahre nicht von mir lassen kann, dass ich weiterhin eine Rolle in seinem Leben einnehme, eventuell sogar einen Teil seines Lebens besetze, dem er hinterhertrauert (so wie ich es tue). Wie hätte ich das wirklich glauben können, sein Leben, das ein beruflich erfolgreiches ist, er, der seit Jahren eine feste glückliche Beziehung mit einer klugen schönen Frau führt. Und wieso passiert es mir, die ich seit Jahren eine feste glückliche Beziehung führe und mit zwei wunderbaren Kindern beschenkt wurde. Versöhnung.
Und dann der Brief. Vor zwei Tagen überreichte ihn mir der Postbote und ich erkannte die Handschrift sofort. Seither liegt er ungeöffnet -
Das Gefühl der Freude verlängern. Den Inhalt erspüren, alle Möglichkeiten des Inhalts ausloten. Der Brief bekommt unnötig viel Raum und Bedeutung. Wieder werde ich mich selbst enttäuschen, weil ich eben doch wieder überhöhte und unnötige Erwartungen habe. Was ich erwarte? Ein Zeichen, das er ehrlich an mich denkt, an mir interessiert ist, weil wir uns einmal alles bedeutet haben, weil mein Menschsein ihn angeht, meine Gedanken, mein Leben. Eine gute Portion verletzter Stolz ist mit dabei, das muss ich leider vor mir selbst zugeben, verletzter Stolz, dass er mich nicht mehr wollte, auch ein Minderwertigkeitsgefühl, dass ich nicht gut genug für ihn war, Unsicherheit, ob seine Liebe für mich wirklich Liebe war, oder nur seine überraschte Reaktion, dass er eine solche Liebe in einem anderen Menschen auslösen kann. Ich würde ihn gerne einmal fragen, ob er mich wirklich geliebt hat, er, meine Liebe.
Diese Antwort wird nicht in dem Brief stehen. Das, was ich gerne von ihm hören würde, werde ich nicht in dem Brief lesen.
Ich kann meine Versöhnung also fortsetzen, trotz Brief. Der Brief ändert nichts an dem notwendigen Prozess. Meine Versöhnung soll sein: diese Jahre mit ihm waren gut, haben mich nachhaltig geprägt, meine Bedürfnisse und Interessen geformt. Dass er nicht mehr für mich da ist, sollte für mich Herausforderung sein, nicht Niederlage. Die Erinnerung an meine erste grosse Liebe soll mich glücklich machen, nicht trauernd. Sie darf mir nicht mein Jetzt vergiften, sie soll es bereichern und beruhigen. Diese Liebe und dieser Mann sind Teil meines Lebens, ich sollte davon reden können, und es nicht begraben wie einen dunklen schmerzenden Schatz.
Donnerstag, 23. Mai 2013
Roxy Music - If there is something
Vor wenigen Tagen sah ich im Fernsehen den Film Flashbacks of a Fool aus dem Jahr 2008. Der Film erzählt die Kindheits- und Jugenderinnerungen eines Filmstars, der nicht nur mit seiner Karriere, sondern auch seinem Lebensentwurf scheitert, und führt den Zuschauer bis zu dem entscheidenden Moment seiner Jugend, der sein Leben auf tragische Weise verändern sollte.
Eindrückliche Bilder, eine langsame Erzählweise und wunderbarer Soundtrack.
Eine Perle daraus: Roxy Music - If there is something
Im Soundtrack ist die Studioaufnahme zu hören, ich aber kenne diese Liveaufnahme besser, die grossartig ist.
Welche Erinnerungen - 1991, Autofahrten nach Heidelberg im Opel, durch die Nacht, die Erwartungen und Sehnsüchte für SM, die Kassette von SP aufgenommen. If there is something fast wie in Trance gehört, um mich Dunkelheit, nur die Lichter der Autos, hinter mir liegt eine Arbeitswoche, manchmal sogar zwei, und vor mir liegen kostbare Stunden mit ihm, Vita Nova.
Welche Erinnerungen - 1991, Autofahrten nach Heidelberg im Opel, durch die Nacht, die Erwartungen und Sehnsüchte für SM, die Kassette von SP aufgenommen. If there is something fast wie in Trance gehört, um mich Dunkelheit, nur die Lichter der Autos, hinter mir liegt eine Arbeitswoche, manchmal sogar zwei, und vor mir liegen kostbare Stunden mit ihm, Vita Nova.
...die bewohnte Menschenwelt als das, was sie ursprünglich war...
Seit 1991 auf einem Zettel notiert, haben diese Zeilen über all die Jahre nicht an Eindrücklichkeit für mich verloren:
"Ich mag die kürzer werdenden Tage mit der früh einbrechenden Dunkelheit und das künstliche Licht in den Häusern, das einen langen Abend verspricht. Drinnen und draußen, Geborgenheit und die offene Weite des Nachttraums sind nun schärfer getrennt. Und tief in der Nacht, wenn nur hier und da ein Fenster erleuchtet ist, erscheint einem die bewohnte Menschenwelt als das, was sie ursprünglich war: eine umhegte Insel, umgeben von Dunkelheit und einer unheimlichen kosmischen Stille."
Dieter Wellershoff, Blick auf einen fernen Berg (1991)
"Ich mag die kürzer werdenden Tage mit der früh einbrechenden Dunkelheit und das künstliche Licht in den Häusern, das einen langen Abend verspricht. Drinnen und draußen, Geborgenheit und die offene Weite des Nachttraums sind nun schärfer getrennt. Und tief in der Nacht, wenn nur hier und da ein Fenster erleuchtet ist, erscheint einem die bewohnte Menschenwelt als das, was sie ursprünglich war: eine umhegte Insel, umgeben von Dunkelheit und einer unheimlichen kosmischen Stille."
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(c) tes |
Dieter Wellershoff, Blick auf einen fernen Berg (1991)
Konstantinos Kavafis - Kerzen
Kerzen
Die Tage der Zukunft stehen vor uns
Wie eine Reihe angezündeter Kerzen -
Goldene, warme, lebendige Kerzen.
Die Tage der Vergangenheit bleiben hinter uns,
Eine traurige Reihe abgebrannter Kerzen,
Die letzten rauchen noch,
Kalte Kerzen, geschmolzen und krumm.
Ich will sie nicht sehen; ihr Anblick grämt mich,
Es schmerzt mich, an ihr erstes Licht zu denken.
Ich schaue nach vorn auf meine brennenden Kerzen.
Ich will mich nicht umwenden, um mit Entsetzen zu sehen,
Wie rasch die dunkle Reihe sich verlängert,
Wie rasch die erloschenen Kerzen sich mehren.
Konstantinos Kavafis (1863-1933)
Die Tage der Zukunft stehen vor uns
Wie eine Reihe angezündeter Kerzen -
Goldene, warme, lebendige Kerzen.
Die Tage der Vergangenheit bleiben hinter uns,
Eine traurige Reihe abgebrannter Kerzen,
Die letzten rauchen noch,
Kalte Kerzen, geschmolzen und krumm.
Ich will sie nicht sehen; ihr Anblick grämt mich,
Es schmerzt mich, an ihr erstes Licht zu denken.
Ich schaue nach vorn auf meine brennenden Kerzen.
Ich will mich nicht umwenden, um mit Entsetzen zu sehen,
Wie rasch die dunkle Reihe sich verlängert,
Wie rasch die erloschenen Kerzen sich mehren.

Konstantinos Kavafis (1863-1933)
Mittwoch, 22. Mai 2013
Vier
Nur Stunden nach meinem letzten daybook-Eintrag vergingen, dann waren wir vier. Dieser letzte Tag, der allein mir gehörte. Und nun sind wir vier. Wir finden uns neu und lernen uns neu kennen und sind uns vertrauter wie nie vorher. Wir können uns auf uns verlassen und stärken uns und finden die Wunder des neuen Lebens ein zweites Mal, diesmal in Begleitung unseres Grossen. Wir sind glücklich.
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